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Workshop

Struktur, Figur, Kontur

Abstraktion in Kunst und Lebenswissenschaften

Der Workshop “Struktur, Figur, Kontur” widmet sich dem Stellenwert der Abstraktion in bildgebenden Verfahren innerhalb von Kunst und Lebenswissenschaften. Im Zentrum des Interesses stehen dabei die sich verschränkenden Strukturen wie Arabesken, die in “unendlichen Rapports” (Alois Riegl) in alle Richtungen fortsetzbar sind, Kurven, die in zuckendem Takt Leben aufschreiben, Linien, die Umrisse und Formen aufbrechen, Diagramme, die mittels Maß und Berechenbarkeit Verhältnisse ins Bild setzen sowie Modelle, die rhetorisch und graphisch Evidenz produzieren. Inwiefern überführt die Kunst das Leben in eine Form und wie können umgekehrt die Wissenschaften vom Leben sich in ihren Darstellungen den Prozessen einer Formbildung nicht verschließen? Wie verfahren Künste, Techniken und Wissenschaften mit dem Leben, das von “Virtualitäten, Singularitäten und Ereignissen” (Gilles Deleuze) geprägt ist?
Denn jenseits des referentiellen Abbildes steht die Abstraktion in einem anderen Verhältnis zur Differenz von Natürlichem und Wirklichem. Dies vermögen nicht nur einzelne Kunstwerke aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu zeigen, die mit dem Verzicht auf anatomische und perspektivische Darstellungsmodi das abstrahierende “Falschzeichnen” hervorgebracht haben; ein Verfahren, das mit der Herstellung von Kupferdruckplatten die Präzision der Linie noch verstärkt hat. Ebenso wird auch die abstrahierende Funktion der anatomischen Atlanten beibehalten, obschon das Medium der Photographie zur Verfügung steht. Abstrakte Figurationen folgen offenbar nicht einer Logik der Repräsentation, sondern verfügen über eine Eigenlogik und entwerfen damit zugleich in geometrischen, ornamentalen, algebraischen oder topologischen Gefügen ein Bild des Lebens. Dabei begleiten die lebenswissenschaftlichen Begriffe organisch/ anorganisch durchwegs die kunsttheoretischen und kulturhistorischen Debatten über die Abstraktion. Im Hinblick auf das 19. Jahrhundert ließe sich als besondere Leistung die anorganische Abstraktion (Wilhelm Worringer) hervorheben, die die Figur von der Willkürlichkeit und Zufälligkeit des Lebens ausnimmt, um damit das Akzidentelle des Organischen zu bändigen. Diese kunsttheoretische Debatte scheint selbst noch die Etablierung der graphischen Methode oder der Photographie zu kennzeichnen. Demgegenüber wird im 20. Jahrhundert das Augenmerk in den Lebenswissenschaften auf ein Denken in Kontingenzen und Relationen gelenkt. Damit tritt die mutierende Kombinatorik in den Vordergrund; ein Paradigma, das nicht nur die Malerei und ihre drei Elemente – Struktur, Figur und Kontur – betrifft, sondern Lebens- und Informationswissenschaften gleichermaßen erfasst.

Kontakt: Claudia Blümle

claudia.bluemle@medien.uni-weimar.de